Kirche und Öffentlichkeit

 Kommerzielle Werbung

 
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Die Ambivalenz kommerzieller Werbung

Werbung am Schaukasten
Februar 2005 von Ingmar Krüger

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Entwurf. Vollständiger Text in Kürze.



Gegebenheiten kommerzieller Werbung
bei Kirchens

Neben Spenden, Beitraegen und Kirchensteuer finanzieren sich kirchliche Einrichtungen haeufig teilweise, wie auch andere Traeger von sozialen Einrichtungen, ueber Sponsoring bzw. Verkauf von Werbeflaeche.
Fast schon gewohnt ist der Anblick von Kleinbussen mit kleinformatiger Werbung. Die Halter dieser Fahrzeuge sind oft nicht auszumachen, weil die ganze Flaeche als Werbetraeger genutzt wird. Dafuer entfallen fuer den Halter die Bereitstellungs- und oft auch Unterhaltskosten. Die Kosten fuer die Befoerderung gehbehinderter Menschen oder FreizeitteilnehmerInnen kann dadurch drastisch gesenkt werden.
Ebenfalls im gewissen Grade zum Normalfall sind Gemeindebriefe mit Werbung ortsansaessiger Firmen geworden. Damit koennen in einem kostentraechtigen Sektor Einnahmen erzielt werden. Anders als bei den Fahrzeugen ist bei Gemeindebriefen aber eine hohe Identifikation von Gemeinde/Einrichtung und der Publikation gegeben. Anlass genug, um genauer auf die Wirkungen, speziell moegliche negative Wechselwirkungen zu bedenken.
Schaukasten mit Werberahmen Neuerdings sieht man auch Schaukaesten mit Werbung. Aehnlich wie bei oeffentlichen Schaukaesten mit Wanderwegkarte oder Ortsplan haben sie einen Rahmen, in dem oertliche Firmen werben. Da der Unterhalt fuer einen Schaukasten nicht sonderlich hoch ist, werden dadurch sicherlich Ueberschuesse fuer den Haushalt der Gemeinde/Einrichtung erwirtschaftet. Hier ist zu bedenken, dass die Identifikation mit der Institution ebenfalls sehr hoch ist. Ausserdem wird die Flaeche bzw. der Raum fuer eine kreative Gestaltung sehr eingeschraenkt.
Besonders bei Grossprojekten ist Sponsoring zum Normalfall geworden. Ohne Sponsoring waere die Turmrenovierung des Michels in Hamburg oder der Aufbau der Dresdner Frauenkirche undenkbar. Aber Sponsoring ist, wie bei Spendenaktionen, bei denen Spender namentlich genannt werden, ein Geschaeft auf Gegenseitigkeit. Die Geldgeber erwarten eine fuer sie werbewirksame Gegenleistung.
Weniger beachtet, aber wegen Ihrer Problematik zu bedenken, sind Grenzfaelle, die nicht als Werbung zu bezeichnen sind, aber gegen Entgelt oder sonstige Leistungen bestimmte Produkte promovieren.
Ein Beispiel: Die Bereitstellung kirchlicher Raeume fuer nicht-kirchliche Zwecke. Ein kirchlicher Raum wird gegen Entgelt fuer eine Tupperparty genutzt. Oder einem ehremtlich engagierten Gemeindeglied wird die regelmaessige Nutzung eines Gemeinderaumes fuer ein Weight-Watcher-Treffen unentgeltlich zur Verfuegung gestellt. Hier besteht der Gewinn allein in einem Entgegenkommen, dass aus einer Empfindung von Dankbarkeit, persoenlicher Verpflichtung oder Angst vor Enttaeuschung erzeugt wird. Ich damit nichts gegen oder fuer die Produkte von Tupper, Weight Watchers und co sagen. Aber die Frage, was vertretbar ist, damit Kirche unverfaelscht und nicht korrumpierbar allein ihrer Botschaft verpflichtet bleibt, muss bedacht werden.
Ein weiteres Beispiel: Die Aufstellung eines Altleidercontainers mit dem Logo einer Wohlfahrtsorganisation. Die Aufsteller zahlen dafuer eine Miete - aber es sind kommerzielle Firmen. Die Wohlfahrtsverbaende erlauben das fuehren das mildtaetigen Logos nur gegen entsprechende Gebuehr. Auch wenn dieser Umstand nur wenig bekannt ist, hat der ein oder andere vielleicht schon davon gehoert.
Und last not least: Ein halbwegs eintraegliches Geschaeft sind Mobilfunk-Antennen auf dem Kirchturm. Aber nicht immer ein glueckliches. Wenn auch nicht erwiesen, steht der Vorwurf im Raum, die Strahlung dieser Sendeanlagen koenne gesundheitliche Schaedigungen herbeifuehren. Das ist nicht eben guenstig fuer eine Institution, die mit Ihrer Botschaft Heil fuer Seele und Leib verkuendigt.

Die Problematik

Das Kirche nicht fuer die Inhalte von Werbung verantwortung traegt laesst sich rational verstehen. Aber es gibt es Grenzen, die sich spontan und gefuehlsmaessig erfassen lassen. Werbung fuer einen Nachtclub gehoert nicht in einen Gemeindebrief. Der Kirchraum, ueberhaupt gemeindliche und kirchliche Raeume sind Tabu fuer Werbung. Denn von Kirche wird zu recht Unabhaengigkeit gegenueber weltlichen Interessen erwartet. Oder umgekehrt: Man erwartet die alleinige Abhaengigkeit von der frohen Botschaft, dem Evangelium Jesu Christi und den sich daraus ergebenden Wert- und Moralvorstellungen. Um die christlichen Vorstellungen von Umkehr, Vergebung und Seelenheil glaubwuerdig in unserer Lebenswelt vertreten zu koennen ist es wichtig, auch vorbehaltlos Kritik formulieren zu koennen.
Werbung und Sponsoring machen aber faktisch abhaengig von den Werbekunden oder Sponsoren. Werbende Firmen sind Geschaeftspartner, mit denen man vorsichtig umgehen muss, wenn man sie nicht verlieren will. Da verbietet sich in der Regel allzu scharfe Kritik am Produkt oder am Umgang mit dem Kunden.

Neben der finanziellen Abhaengigkeit ist Werbung auch unter dem Gesichtspunkt eines Image-Tranfers zu betrachten. Unternehmen suchen sich genau aus, wo sie Werbung plazieren. Wenn sie in einem Gemeindebrief werben, haben sie Anteil und profitieren in der Regel vom Image der Kirche. Umgekehrt bekommt der kirchliche Werbetraeger Anteil am Image des Werbekunden.
Eindeutig ist die Problematik, wenn es moralisch gegensaetzliche Ansichten gibt. Die Nachtclub-Werbung wird man natuerlich vergeblich auf kirchlichen Werbetraegern finden. Aber wie ist es beispielsweise bei einem Fitnes-Center? Sich koerperlich fit zu halten ist ja eigentlich nicht verwerflich, aber darf sich Kirche an der wahnhaften Vorstellung, dass nur Leistung zaehlt, beteiligen?
Von der Kirche wird zu recht erwartet, dass sie fuer bestimmte Werte eintritt und der Wahrheit verpflichtet ist. In der Werbung aber wird dieser Wertecodex oft gebrochen oder ignoriert und Werbung ist tendenziell Schoenfaerberei. Im folgenden noch ein paar Beispiele, um die Grenzen und Probleme naeher zu beleuchten.

Ausloten der Grenzen

Der provozierende Slogan

Ueber die Frage, wie Werbung ankommt, gibt es kaum allgemeine Grundsaetze. Zu komplex ist die affektive Schnittstelle der Zielgruppe. In ausfuehrlichen Erhebungen mit Testpersonen wird darum im Einzelfall erhoben, was wie bei einer Kampagne ankommt. Dabei wird durchaus in Kauf genommen, das eine Kampagne als Geschmacklos oder Respektlos bei einem bestimmten Publikum ankommt, wenn dafuer eine bestimmte Zielgruppe gut darauf anspringt.
Lass dich nicht verarschen wirbt eine Elektronik-Kette und hofft, damit den Vorgaenger die Mutter aller Schnaeppchen... noch toppen zu koennen. Im Ringen um die griffigsten Slogans werden die Grenzen des Geschmacks ausgelotet und noetigenfalls ausgeweitet. Heraus kommt genau die Sprache, die wir unseren Kindern nicht angewoehnen wollen. Mit Kraftausdruecken wird die Integrietaet Anderer angegegriffen, auch wenn es beim genannten Slogan nur Mitbewerber sind, die persoenlich kaum greifbar sind.
In einer Rundfunkwerbung in der Adventszeit 2004 wird der Weihnachtsmann von einem Kind mit Hey, Alter, komm zur Sache angeflapst. Der Alte nimmt es mit Humor. Ich nicht. Unter der Hand wird Respektlosigkeit propagiert. Auch wenn der Weihnachtsmann selber schon zum Werbetraeger verkommen ist - dass er und vielleicht alte Menschen generell respektlos behandelt werden, beruehrt mich sehr unangenehm. Es ist eine an sich harmlose Kinowerbung, aber sie transportiert verletzende Inhalte.
Das sind Aspekte, nach denen vor allem Slogans und aehnliche Knalleffekte kirchlicherseits zensiert werden muessten. Von daher verbietet sich Werbung mit bestimmten Slogans fuer Kirche einfach.

3 : 1 fuer Tod und Trauer

Aber auch bei sorgfaeltiger Auswahl von serioesen Werbepartnern gibt es ein Problem - oder gerade dann. Ein beliebiger Gemeindebrief einer benachbarten Kirchengemeinde im Rheinland, den ich durchaus als repraesentativ empfinde, macht dies deutlich. Der 28 Seiten starke Gemeindebrief enthaelt vier Anzeigen von jeweils einer halben bzw. drittel Seite. Mit dabei sind die beiden örtlichen Bestattungsinstitute, ein Blumenhaus, das ausdruecklich Grabpflege anbietet und ein Reisebuero mit angegliedertem Geschaeft fuer Tabakwaren und Zeitschriften.
Macht 3 : 1 fuer das Thema Tod und Trauer. Beim Finden der Inserenten spielten auch gute persoenliche Beziehungen eine Rolle. Die Inhaber des Reisebueros wohnen in der Nachbarschaft des evangelischen Pfarrers. Die Kontakte zu den Bestattern ergeben sich schon beruflich. Fuer die Auswahl setzte man sich die folgenden Kriterien: Unsere Grenzen werden dort überschritten, wo sittlicher Anstand, geltendes Recht und menschliche Würde missachtet werden.
Das ist hier sicherlich nicht der Fall. Aber in der Auswahl der Werbepartner wird der Fokus auf das Thema Tod und Trauer gelegt. In der Kirche kennt man sich damit aus, aber sie wird damit sehr eingeengt mit ihrem Bild in der Oeffentlichkeit. Kirche, die von vielen kirchenferneren Menschen lediglich als zustaendig fuer die letzte Oelung angesehen wird, wird durch die Auswahl der werbenden Firmen in diesem Bild verstaerkt. Durch die Auswahl ist ein unguenstiger Imagetransfer-Effekt fuer die Kirchengemeinde gegeben. Wenn schon mit Werbung ein Teil der Ausgaben refinanziert werden soll, waere es sicher guenstiger, den aktuell mit unter 10% relativ geringen Werbeanteil mit Werbepartnern aufzustocken, die ein insgesamt ausgewogeneres Image versprechen.
Wenn schon Bestatter, dann sollten die Brautmoden doch nicht fehlen. Und auch das Geschäft mit der Baby-Ausstattung - um wenigstens die zu den Kasualien zu assozierende Werbekundschaft zusammen zu haben.

Sponsoring und Sparkasse

Bei der Sanierung ihres Turmes hat die Hamburger Hauptkirche St. Michaelis die Hamburger Sparkasse als maechtigen Sponsor gefunden. Es war in gewisser Weise ein Gluecksfall fuer die Gemeinde und wahrscheinlich auch fuer die Sparkasse. Michel und Haspa - da hatten sich zwei Hamburgensien gefunden fuer einen gelungenen Sponsoring-Deal.
Der aber auch Risiken bereit haelt. Kirche wird eingespannt in die Oeffentlichkeits- und Kommunikationsziele des Sponsors. Und auch die die oeffentlich-rechtliche Sparkasse ist ein Wirtschaftsunternehmen, das Geschaefte machen will. Es hat auch unzufriedene Kunden und Mitarbeiter, bei denen durch die Partnerschaft ein negatives Bild entstehen kann.