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PastorIn in Zeitnot
Zuvor
Von Servicewüste und Kundenfreundlichkeit im Zusammenhang mit der Kirche zu sprechen ist gewagt. Eine Gemeinde ist kein Dienstleistungsunternehmen, Gemeindeglieder sind keine Kunden der Kirche. Das sind ekklesiologisch berechtigte Einwände. Aber ich verwende trotzdem einmal ganz unbefangen die Kategorien aus der Geschäftswelt, so als ginge es darum, ein defektes Gerät zur Reparatur zu bringen.
Wie erfahre ich eine Anschrift und Öffnungszeiten für die Reparaturannahme? Gibt es Parkplätze oder wie komme ich hin? Wie werde ich behandelt von dem Fachmann hinter dem Tresen, welche Auskünfte erhalte ich über die zu erwartenden Kosten und die zu erwartende Dauer der Reparatur? Das sind die wesentlichen Faktoren, nach denen ich Servicefreundlichkeit beurteile.
Egal, ob uns als Kirche das schmeckt oder nicht; egal, ob in den Kategorien von Kunde und Service gedacht wird oder andere Vokabeln benutzt werden: In eben dieser Weise bilden sich Menschen ein Urteil über Kirche.
Der Kunde ein König?
Exploration der Servicefreundlichkeit von Kirche
Als ich im Sommer 2000 in die Niederlande zog, gestaltete sich die Kontaktaufnahme zur evangelischen Gemeinde im deutschen Nachbarort nördlich von Aachen schwierig. Diese eigenen Erfahrungen sowie eigene Recherchen am Computer sind der Hintergrund der folgenden fiktiven Schilderung zum Thema Servicefreundlichkeit.
Ich stelle mir ein Elternpaar vor, das den Kontakt zur Kirche an einem neuen Wohnort sucht. Dass Lebenseinschnitte und Krisen eine Herausforderung und Chance für das kirchliche Handeln sind, hat sich herumgesprochen. Schulabschluss, Berufsausbildung, Partnerschaft, neuer Wohnort, vielleicht Geburt eines Kindes, das sind die Themen zwischen 15 und 25 Jahren. Nach soviel Umwälzungen des Lebens stellt sich die Frage der Vergewisserung. Das Kind soll getauft werden, deshalb will ein junges Paar am neuen Wohnort nach 10 Jahren kirchlicher Abstinenz Kontakt mit der Kirche aufnehmen. Begleiten wir die beiden, pardon, die Drei auf ihrem Weg.
Ein zarter Hinweis: das Schild Ev. Gottesdienste
Das evangelische Paar lebt im Rheinland. Kirchtürme sind kein Wegweiser hier, sie gehören in der Regel zu katholischen Kirchen. Aber das Schild Ev. Gottesdienst 10.15 am Ortseingang ist schon aufgefallen. Bei der Anmeldung im Rathaus gab es eine Broschüre, in der alle Gremien und Ämter des Ortes, alle Ärzte und Vereine aufgeführt sind. Seltsamerweise findet sich kein Hinweis auf Kirchen. Das Telefonbuch des Ortes ist noch nicht verfügbar, die Nachbarn, die man kennt sind katholisch. Ein verblichener Zettel im Schaukasten der katholischen Kirche mit der Telefonnummer des Pfarrers führt weiter. Nach drei Versuchen zu verschiedenen Tageszeiten ist der Pfarrer am Apparat Er ist selber erst neu in der Gemeinde, findet aber einen Zettel mit der Telefonnummer und Adresse der evangelischen Gemeinde. Leider hält der Anrufbeantworter dort keine Büroöffnungszeiten parat, und da man wegen eigener Berufstätigkeit häufig außer Haus ist, wird keine Nachricht hinterlassen.
Ein Wegweiser für Eingeweihte
Das Aufsuchen der Kirche bringt mehr Klarheit. Sie liegt, in der rheinischen Diaspora keine Seltenheit, an einer Nebenstraße ganz am Ende der Ortschaft. An der Tür zum Gemeindehaus stehen die Öffnungszeiten des Büros; es hat immer vormittags von 9 - 13 Uhr geöffnet. Eine ungünstige Zeit für Berufstätige. Jetzt wird auch klar, dass es einen Wegweiser zur Gemeinde gibt. Hütte der Begegnungen steht auf einem Schild an der Hauptstraße. Aber woher soll man wissen, dass dies der Name des Gemeindehauses ist? Ein Wegweiser für Eingeweihte also. (In einer Gemeinde am Hamburger Stadtrand weist ein Schild den Weg zur Arche Noah. Auch hier wäre es gut, wenn eine Unterzeile darauf hinwiese, dass nicht ein Biotopen-Reservoir sondern eine evangelische Kirchengemeinde gemeint ist!)
Der Anruf vormittags von der Arbeitsstelle im Büro führt zum Rückruf des Pfarrers zwei Tage später. Ein Abendtermin für ein Taufgespräch ist schnell gefunden und der gewünschte Termin für eine Taufe im Gottesdienst klappt. Ein gutes Ende immerhin, aber alle anderen Kontaktaufnahmen am neuen Wohnort waren einfacher.
Was um alles in der Welt bedeutet www.ekir.de?
- Versuche im Netz
Ich will nicht verschweigen, dass es auch einfacher geht. Unter telefonbuch.de oder mit der CD-Rom Telefonbuch für Deutschland kommt man schnell und einfach an die Telefonnummer der evangelischen Gemeinde bzw. Gemeinden eines Ortes.
Eine Überraschung bietet der direkte Internet-Versuch. Unter kirche.de landet man auf der Nordelbien-Seite!, immerhin aber gleich auf der Seite mit den Links. Das lässt den Nordelbier schmunzeln. Das junge Paar muss sich allerdings mit ein wenig Phantasie und Mühe auf eine Seite, die ekir.de (für Fachleute: Evangelische Kirche im Rheinland) heißt, durchklicken. Dort kann man sich angeblich die Gemeinden nach Postleitzahlen anzeigen lassen. Eine endlos lange Liste präsentiert aber nur Gemeinden mit eigener Homepage, und die ist nicht vollzählig. Meine Versuchsgemeinde hat eine Homepage, ist dort aber nicht vertreten.
Suchte man eine Nordelbische Gemeinde über den link Gemeinden, so verlangt dies ein gutes Zurechtfinden auf einer Nordelbischen Landkarte, in der Sprengel und Kirchenkreise markiert sind, nicht aber Städte eingezeichnet sind. Da versuche einer, Itzehoe zu finden, wenn man nicht weiß, wie der Kirchenkreis heißt!
Hervorragend funktioniert die Suchmaske des Nordelbischen Adressenwerks. Hier reicht die Eingabe einer Postleitzahl, um die Kirchengemeinde sowie ggf. weitere kirchliche Werke und Anschriften von Synodalen zu erhalten. Und wenn die Anzeige einen Link auf die Homepage der Gemeinde enthält, erfährt man mit ein paar Mausklicken nicht nur Anschrift und Telefonnummer sondern auch Büroöffnungszeiten und häufig Namen der zuständigen Sekretärin, der Pastorin oder des Pastors. Das ist schon mal sehr sympathisch. Allerdings müsste hier einmal dringend aktualisiert werden; unter anderem sind Fusionen aus den letzten drei Jahren noch nicht berücksichtigt.
Der Pfarrer konnte heut nicht kommen, er hat ja so wenig Zeit (Reinhard Mey)
Es scheint eine weit verbreitete Ansicht zu sein, dass man Pastoren kaum erreichen kann. Der Pfarrer konnte heut nicht kommen, er hat ja so wenig Zeit, heißt es in einem frühen Lied von Reinhard Mey. Inwieweit das stimmt, ist schwer zu sagen. Aber die Liedzeile zeigt, dass unser Berufsstand mit dem Klischee von Zeitnot und schlechter Erreichbarkeit behaftet ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir gerne über unsere Zeitnot klagen, weil es unserem Ego so gut tut.
Mein Eindruck ist, dass unser Ruf schlechter ist, als sich mit Fakten belegen lässt. Allerdings kenne ich auch negative Beispiele: Kollegen, bei denen man grundsätzlich den Anrufbeantworter antrifft und auf hinterlassene Nachrichten gar nicht oder erst nach einer Woche einen Rückruf erhält. Solche negativen Erfahrungen prägen sich natürlich stärker ein als die positiven.
Customer Relationship Management
als Konzept für die Kirche?
Zauberformel CRM
Customer Relationship Management (CRM), übersetzt etwas holprig Kunden-Beziehungs-Management, heißt eine neue Zauberformel. In Firmen mit direktem Kundenkontakt sorgt sie für Aufbrüche im Marketing- und Werbesektor. Softwarefirmen drängen mit spezieller CRM-Software in einen neuen Markt. Dabei geht es um die eigentlich nicht neue Erkenntnis, das man die Beziehung zu Kunden pflegen muss, damit sie dem Unternehmen treu bleiben. Unter den Bedingungen einer sehr vielschichtigen Präsenz ist dies allerdings eine neue Herausforderung. Egal, ob in einer von vielen Filialen, im Telefonkontakt, der Internetpräsenz oder der Darstellung in der Öffentlichkeit durch Werbung: An jedem dieser Berührungspunkte soll dem Kunden eine positive Begegnung vermittelt werden. Die zentrale Verwaltung von Kundendaten soll eine gezielte Information über Waren und Dienstleistungen entsprechend seiner Interessen und Bedürfnisse gewährleisten.
CRM ist eine Unternehmensphilosophie
Gemäß dieser Aufgabenstellung bildet sich das Berufsbild des CRM-Managers heraus. Er ist innerhalb eines Unternehmens ein Generalist, der über die gesamte Bandbreite des Unternehmens agiert. Er muss Kenntnisse über Werbung und Marketing haben, muss sich mit der Produktpalette auskennen und identifizieren und benötigt darüber hinaus Kreativität und Kommunikationsvermögen. In der Regel agiert der CRM-Manager außerhalb der Hierarchie und den Spezialabteilungen eines Unternehmens. CRM ist keine neue Unternehmensabteilung sondern eine Unternehmensphilosophie.
Kirche ist ein Anbieter für eine Vielzahl von Diensten, Weiterbildungsangeboten, Interessen- und Hobbygruppen. Ihr steht eine große Gruppe von immer mobiler werdenden und stärker nach Interessen und Neigungen als nach lokalen Gegebenheiten auswählenden Menschen gegenüber. Ein analog zum CRM entwickeltes Konzept zur Information und Betreuung von Kirchengliedern macht deshalb Sinn.
Ich spreche mit Absicht nicht von Gemeindegliedern, weil auch übergemeindliche Angebote von Beratungsstellen und Familienbildungsstätten als Ergänzung und Erweiterung von Gemeindeangeboten stärker wahrgenommen werden müssten. In Ermangelung eines eingängigen Begriffs benutze ich im Folgenden den Ausdruck
Bewusstsein für Kundenfreundlichkeit gefragt
Ein Kirchengliederpflege-Management auf Landeskirchenebene mit enger Kooperation zu den anderen EKD-Gliedkirchen wäre eine sinnvolle Einrichtung. Dies würde allerdings einen Eingriff in die Autonomie von Gemeinden, Diensten und Werken bedeuten. Man müsste sich Kritik und Anregungen von außen gefallen lassen. Bestimmte Normen für Internet-Auftritt und Schaukasten sollten gefordert werden, die Verwendung bestimmter Logos zum besseren Wiedererkennen und die Weitergabe von Informationen über die Angebote der Region, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber im Dienste einer besseren öffentlichen Präsenz wäre dies trotzdem sinnvoll. Andererseits macht es keinen Sinn, sich gerade in dieser Frage mit dem eigenen Profil auszutoben.
Wichtiger als eine zentrale Stelle aber ist es, in den Gemeinden, Diensten und Werken die richtige Einstellung zu entwickeln und kritisch auf den eigenen Umgang mit Interessenten kirchlicher Angebote zu achten. In erster Linie ist es wichtig, dafür ein stärkeres Bewusstsein zu entwickeln. Das Menschen die Kirche suchen und auf kirchliche Angebote reagieren, darf nicht als Ausnahme neben der Routine gesehen werden, sondern muss als Normalfall einkalkuliert werden. Und Kirche muß mit ihren Angeboten leicht auffindbar sein.